Matthias Wenk, römisch-katholischer Theologe
Radiopredigt

SRF-Radioprediger Matthias Wenk: Advent, eine Zeit zum Aufräumen

Marie Kondo rät Socken, Unterhosen und Sweatshirts einzurollen und nach Farben im Schrank zu ordnen. Der alttestamentliche Prophet Jesaja ruft den Menschen zu: Bahnt Gott einen Weg durch die Wüste! Marie Kondo und Jesaja sind Ordnungsberaterin und Aufräumexperte. Sie halten beide Glücksrezepte bereit – nicht nur für die Adventszeit.

*Matthias Wenk

«Gott will keine Unordnung«, schreibt der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeindemitglieder von Korinth. Ich glaube, Paulus und Marie Kondo hätten sich gut verstanden, wären sie sich je begegnet. Ach, vielleicht wissen Sie ja noch gar nicht, wer Marie Kondo überhaupt ist, liebe Hörerin, lieber Hörer. Dann hören wir doch einmal kurz in Ihre Reality-Serie rein. Sie heisst «Aufräumen mit Marie Kondo» und darin besucht Marie Kondo Menschen, die Ordnung in ihr Daheim bringen möchten.

Eine Ordnungsberaterin

Marie Kondo ist Aufräum-Expertin – offiziell heisst ihr Beruf «Ordnungsberaterin». Sie versucht, Glück in das Leben von Menschen zu bringen, indem sie ihnen hilft, deren Unordnung in Ordnung zu verwandeln. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die aktuelle Staffel der Serie nicht mehr nur «Aufräumen mit Marie Kondo» heisst, sondern «Glück und Freude mit Marie Kondo».

Die Sehnsucht nach Glück, Freude, Frieden

Glück, Freude, Frieden – wer von uns sehnt sich nicht danach? Und wie mag es mir wohl gelingen, dieser Sehnsucht in meinem Leben zur Erfüllung zu verhelfen? Diese Frage beschäftigt mich tagtäglich – in der Begleitung von Menschen und ganz persönlich in meinem eigenen Leben. Diese Frage treibt uns Menschen wahrscheinlich schon so lange um, wie es uns gibt. Sie ist auch für die besondere Zeit zentral, in die wir mit dem letzten Sonntag eingetaucht sind: die Adventszeit. Sie möchte uns auf das Weihnachtsfest vorbereiten.

Glücksrezept Advent

Deshalb legt sie für uns Spuren aus, die uns dabei anleiten, wie Glück, Freude und Frieden bei uns ankommen können. Wenn man so will, ist die Adventszeit ein grosses Glücksrezept, denn an Weihnachten feiern wir Christinnen und Christen, dass Gott inmitten unserer Welt, inmitten unseres Menschseins ankommt! Wenn das kein Glück ist!?

Eine Ministrantin zündet den Adventskranz an.
Eine Ministrantin zündet den Adventskranz an.

Aufräumexperte Jesaja

Also: T-Shirts falten, einrollen und nach Farben sortiert in Reih und Glied in Schubladen versorgen – das ist eines der Glücksrezepte, die Marie Kondo ihren Klientinnen und Klienten empfiehlt. Für Socken, Unterhosen und Sweatshirts schlägt sie übrigens dasselbe vor. Als Vorbereitung für Weihnachten genügt mir das nicht. Aber die Bibel hat ihre eigene Marie Kondo, ihren eigenen Ordnungsberater: Er heisst Jesaja! Jesaja ist der Prophet des Advents. Rund 700 Jahre vor der Geburt von Jesus hat er gelebt und die Geburt Jesu vorausgesagt – genauer: die Geburt des Messias. Wir Christinnen und Christen halten Jesus für den Messias. Der Titel «Messias» beschreibt den verheissenen Heilsbringer, den Befreier – ja, wenn der also nicht das Glück bringt, wer dann?!

Damit das Glück ankommt

Und damit das Glück mit Namen «Jesus» auch bei uns ankommen kann, hat der Aufräum-Experte Jesaja eben auch ein paar Ordnungstipps parat: «Bahnt Gott einen Weg durch die Wüste! Baut eine Strasse durch die Steppe für unseren Gott! … Denn Gott wird kommen in seiner ganzen Schönheit.” Verkürzt sagt Jesaja also auch nichts anderes als Marie Kondo: «Räumt auf! Macht Ordnung in Eurem Leben!»

Die grosse Entrümpelung

Ganz spannend ist aber auch, dass Marie Kondo in ihrer Aufräum-Serie nicht nur Ordnung schafft. Wir hören, wie sie gemeinsam mit ihrer Tochter Satsuki Weihnachtsschmuck aussortiert. Sie empfiehlt auch zu entrümpeln – radikal! Befreie Dein Zuhause von allem, was Dir keine Freude bereitet. Frag Dich bei jedem Gegenstand: «Does it spark joy? – Macht mich dieser Gegenstand glücklich?» Vielleicht hat Marie Kondo den Tipp zu entrümpeln ja von Jesaja übernommen?! Der rät nämlich auch: «Jedes Tal soll aufgefüllt, jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Alles Unebene soll eben werden und alles Hügelige flach.»

Putzen gehört dazu
Putzen gehört dazu

Was macht glücklich?

«Does it spark joy?» Mit dieser Frage im Gepäck lässt Marie Kondo ihre Klientinnen und Klienten beispielsweise all ihre Kleidungsstück auf einen grossen Haufen werfen und diesen dann wieder abtragen. Nur das Kleidungsstück findet seinen Weg zurück in den Kleiderschrank, dessen Gegenwart glücklich macht. «Does it spark joy? – Macht mich dieser Gegenstand glücklich?» – mit dieser Frage schaue ich auf mein Leben. Welchen Hügel muss ich abtragen?

Glücksgefühl beim Einkaufen

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich leidenschaftlich gerne einkaufe. Immer mehr Gegenstände häufen sich da an. Ja, anfangs machen sie mich noch glücklich. Gerne streife ich durch Läden oder durch das grosse Online-Kaufhaus «Internet». Schöne Dinge bereiten mir Freude. Und bis sie dann in meiner Tasche oder per Post vor meiner Haustüre landen, koste ich das angenehme Prickeln der Vorfreude nur zu gerne aus. Doch, wenn ich ehrlich mit mir bin, dann hält das Glücksgefühl nicht wirklich lange an. Gut verstaut verschwinden die einst begehrten Gegenstände, bei mir sind es meistens Klamotten, in den Tiefen meines Kleiderschranks. Ich sortiere übrigens meine Kleidung nicht nach den Empfehlungen von Marie Kondo!

Einkaufszentrum in der Weihnachtszeit
Einkaufszentrum in der Weihnachtszeit

Berge und Hügel abtragen

Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr macht es mich unglücklich, dass ich mich vom Konsum so sehr leiten lasse! Wie kann es sein, dass ich glaube, Besitz steigere mein Lebensglück?! Ich kann genug mein Eigen nennen, und doch verlockt mich das kurzlebige Glücksgefühl, Neues anzuschaffen, immer wieder. Dabei habe ich mehr als genug. Und mir kommen die Worte von Jesaja wieder in den Sinn: «…jeder Berg und Hügel soll abgetragen werden.” Mein Leben am Konsum auszurichten, steht mir im Weg – ist der Berg, der Hügel, den es abzutragen gilt. Das Immer-Mehr ist für mich eigentlich ein Hindernis zum Glück, denn nicht das Haben macht glücklich, sondern das Sein! Was brauche ich wirklich zum Leben? Wie wenig kann es sein, sodass es doch genug ist?

Advent – eine Gelegenheit zum Ordnen

Räum auf in Deinem Leben auf und entrümple! Jesaja macht mir Mut! Advent ist eine Chance – Advent ist ein Wagnis. Oder besser: Advent ist die Gelegenheit, damit anzufangen, Ordnung in mein Leben zu bringen. Und das bedeutet, nicht immer mehr haben zu wollen, sondern vielleicht weniger. Aber in jedem Fall heisst es, danach zu suchen, was wirklich wichtig ist für mein Leben, was wirklich glücklich macht. Und wenn ich nach Antworten auf diese entscheidende Frage suche, dann poppt bei mir sofort der Begriff «Beziehungen» auf: die Beziehungen, die ich zu Menschen pflege, die mir lieb sind, machen mich glücklich; ihre Nähe, die Vertrautheit, ihr Verständnis, das Gespräch und die Sicherheit, die sie mir schenken, einfach weil sie zu meinem Leben gehören. Und dann empfinde ich persönlich noch grosses Glück, wenn mir bewusst wird, wie sehr ich mit allem, was ist, verbunden bin: Ein Teil von allem zu sein, mit meinen Mitmenschen und meinen Mitgeschöpfen, der Natur als Schwester und Bruder, Mutter und Vater – und Gott ist das grosse Netz der Verbindung.

Matthias Wenk, römisch-katholischer Radioprediger.
Matthias Wenk, römisch-katholischer Radioprediger.

Das Danken nicht vergessen!

Ich bin Jesaja dankbar, dass seine Worte mich jedes Jahr neu wieder darauf aufmerksam machen, genau hinzuschauen, woran ich mein Leben wirklich ausrichte und das in Ordnung zu bringen, was in «Unordnung» ist. Und «Danke» zu sagen, für das, was ich entrümpeln, abtragen will und kann, damit mich möglichst wenig vom Glück trennt. Marie Kondo empfiehlt das übrigens auch: Bedanke dich bei allen Dingen, die Du aussortierest!

Bedingungsloses Glück

Und für noch etwas bin ich dem biblischen Aufräum-Experten Jesaja sehr dankbar: Er knüpft das Glück, das er ankündigt, an keine Bedingung: «Denn Gott wird kommen in seiner ganzen Schönheit.” Das ist eine unbedingte Zusage an uns: Gott, das Glück, kommt und es hängt nicht von mir und meinem Verhalten ab. Das entspricht zwar nicht unserer menschlichen Logik, aber da ist eben Gott im Spiel und Gott macht manches anders. Gott braucht keine Gesetze, Dogmen und Kirchen, die das Glück an Bedingungen knüpfen. Gott setzt vielmehr auf Marie Kondos, die mit ihrem Leben zeigen, dass es glücklichen machen kann, sein Leben in Ordnung zu bringen und zu entrümpeln. Gott setzt also auf Sie und mich und das nicht nur im Advent!

*Matthias Wenk arbeitet als römisch-katholischer Seelsorger in St. Gallen

Bibelstellen:
1 Kor 14,33a, Jes 40,3-5a

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Matthias Wenk, römisch-katholischer Theologe | © Manuela Matt
4. Dezember 2022 | 08:03
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